Zwischen Mensch und Maschine
(Kurzgeschichte)
Die Welt ist ein Schatten ihrer selbst geworden. Ein Scherbenhaufen aus zerstörten Träumen und vergessenen Hoffnungen. In den Straßen von New-Neon-City irrt Gibson Slinger umher, ein einsamer Wanderer in einer Welt, die längst den Verstand verloren hat.
Die Apokalypse hat alles verändert. Die Städte sind zerstört und verlassen, die Natur hat sich die Erde zurückerobert und die Menschheit ist dezimiert worden. Niemand weiß genau, was passiert ist. Ein plötzliches Verschwinden von Millionen von Menschen, ohne jegliche Spur oder Erklärung. Ein Rätsel, das bisher niemand lösen konnte.
Gibson hat den Verlust seiner geliebten Frau Naddy miterlebt. Ein Schmerz, der ihn bis ins Mark erschüttert und ihn jede Nacht heimsucht. Doch trotz all der Dunkelheit, die seine Seele umhüllt, versucht er, jederzeit einen Funken Hoffnung in der Finsternis zu finden.
Er erkennt, dass die wenigen Überlebenden zusammenhalten müssen, um zu überleben. Inmitten der Ruinen und des Verfalls findet er seinen Lebenssinn darin, anderen zu helfen. Er verteilt Lebensmittel, bietet Trost sowie Hilfe und ermutigt die Verzweifelten, nicht aufzugeben.
Doch die Welt ist nicht nur von Trümmern und Schatten erfüllt. Die Regierung, was auch immer von ihr übrig geblieben ist, hat eine neue Ordnung geschaffen. Eine Ordnung, die von Cyborgs kontrolliert wird - halb Mensch, halb Maschine. Diese Wesen waren einst Menschen, die sich freiwillig für die Umrüstung meldeten, um der neuen Ordnung zu dienen.
Die Cyborgs patrouillieren durch die Straßen und jagen die verbliebenen Menschen, die als Bedrohung für die neue Weltordnung gelten. Gibson versteckt sich häufig im Dunkeln und sieht sie oft vorbeiziehen. Doch trotz ihrer übermenschlichen Stärke und Geschwindigkeit möchte er den Glauben an das Gute im Menschen nicht aufgeben.
Inmitten dieses düsteren Panoramas findet Gibson Trost in kleinen Gesten der Menschlichkeit. Ein Lächeln, eine Umarmung, eine helfende Hand, ein Wort des Trostes - das sind die Dinge, die er am meisten schätzt.
*
Gibson Slinger sitzt allein in der Dunkelheit seines Verstecks, als plötzlich die Erinnerung an jenen schrecklichen Tag über ihn hereinbricht. Er schließt die Augen und versucht, sich gegen den Strom der Erinnerungen zu stemmen, aber die Bilder drängen sich unaufhaltsam in sein Bewusstsein.
Er sieht seine Frau Naddy, wie sie sich freiwillig für die Umrüstung in einen Cyborg gemeldet hat. Ihr Blick ist leer, emotionslos, als ob die Funken menschlicher Wärme und Liebe aus ihren Augen erloschen sind. Es ist, als ob ein Schleier der Kälte über ihre Seele gefallen ist und Gibson kann den Schmerz des Verlustes kaum ertragen.
Als sie sich ihm nähert, ist da keine Spur mehr von der Frau, die er einst geliebt hat. Ihr Gesicht ist eine Maske der Gleichgültigkeit, ihre Augen glänzen kalt im Schein der Realität. Und dann geschieht etwas, das sein Herz in Stücke zerreißt: Sie greift nach ihm, mit der Absicht, ihn für die neue Ordnung zu töten.
Gibson flieht vor ihr. Die Tränen erschweren seine Sicht, als er die Straßen der Stadt durchquert, immer wieder über die Schulter blickend, um sicherzustellen, dass sie ihm nicht folgt. Das Bild seiner Frau, gefangen in einem endlosen Albtraum aus Stahl und Kälte, verfolgt ihn bis heute.
Und in diesem Moment hat Gibson sich geschworen, dass er nie wieder die emotionslosen Augen eines geliebten Menschen in einem Cyborg sehen will - auch wenn es bedeutet, allein gegen die drohende Hoffnungslosigkeit anzutreten.
*
In einer düsteren Gasse, umgeben von den Schatten der verlassenen Gebäude, spürt Gibson Slinger den heißen Atem der Verfolger im Nacken. Er rennt abermals vor den Cyborgs um sein Leben. Seine Lungen brennen vor Anstrengung, sein Herzschlag hämmert, während er durch das Labyrinth aus Schutt und Trümmern rennt. Die Cyborgs scheinen ihm immer näher zu kommen, ihre roten Augen leuchten bedrohlich in der Dunkelheit.
Plötzlich spürt er einen stechenden Schmerz, als eine Kugel eines Cyborgs ihn getroffen hat. Er taumelt, doch sein Wille treibt ihn weiter vorwärts. Mit letzter Kraft erreicht er einen versteckten Eingang zu einem verfallenen Gebäude und stürzt hinein. Anschließend wird er bewusstlos.
Als er die Augen öffnet, findet er sich in einem düsteren Raum wieder, umgeben von Staub und Dunkelheit. Doch dann sieht er eine Frau, deren Gesicht von Mitgefühl und Entschlossenheit geprägt ist. Sie hält seine Hand und lächelt ihm sanft zu. "Du bist hier sicher", flüstert sie beruhigend.
Die Frau heißt Pearl Cannon. Sie kümmert sich liebevoll um Gibson, reinigt und versorgt seine Wunden sowie seine Verletzungen. In den folgenden Tagen verliert er sich mehr und mehr in ihrer Gegenwart, fasziniert von ihrer Stärke und ihrem Mut.
Er hat sich in sie verliebt und fragt sich, ob eine Liebe in dieser Welt noch Platz hat. Er möchte es versuchen.
Doch das Schicksal hat einen grausamen Plan. Als Gibson sich langsam von seinen Verletzungen wieder erholt, planen er und Pearl ihre gemeinsame Zukunft. Allerdings finden die Cyborgs ihr Versteck und greifen erbarmungslos die beiden an. In einem verzweifelten Kampf versucht Gibson, Pearl zu beschützen, doch die überwältigende Übermacht der Maschinen ist zu groß.
Gibson muss mit ansehen, wie Pearl vor seinen Augen stirbt. Es zerreißt ihn augenblicklich das Herz. Er muss ihren toten Körper zurücklassen und flüchtet in die Dunkelheit. Seine Seele ist gepeinigt von Trauer und Verzweiflung.
*
Er kann den Cyborgs entkommen und verkriecht sich kraftlos in einer einsamen sowie dunklen Ecke der Stadt. Gibson spricht in einem Monolog mit sich selbst. Seine Stimme ist gebrochen von Schmerz, Trauer und Wut.
"Was ist aus dieser Welt geworden?", fragt er die einsame Nacht. "Eine Welt, in der das Böse triumphiert und die Unschuldigen sterben müssen? Eine Welt, in der die Hoffnung nur ein schwacher Schatten ist, der von der Dunkelheit verschlungen wird? Eine Welt, wo Liebe bedeutungslos ist?" Nach einer kurzen Pause resümiert er. "Vielleicht ist das der Preis, den wir zahlen müssen", murmelt er. "Vielleicht ist das der Weg, auf dem wir lernen müssen, wieder zu leben, zu lieben, zu wertschätzen und zu hoffen."
*
Kurzdrauf wischt sich Gibson Slinger die Tränen weg und steht auf. Sein Herz schwer vor Trauer, aber sein Geist fest entschlossen. In einer Welt, die von Chaos und Zerstörung geprägt ist, wird er weiterkämpfen. Nicht nur um zu überleben, sondern auch um die Erinnerung an diejenigen zu ehren, die einst ihr Leben für eine bessere Zukunft geopfert haben.
ENDE