Die Nebel-Trilogie ist eine schonungslose Gesellschaftskritik. Ob Links, Rechts, Mann, Frau, Woke oder Anti-Woke – hier wird jeder angesprochen.
Bist du selbstreflektiert genug, um diese Geschichte(n) zu verstehen und dich darin wiederzuerkennen?
Verloren im Verfall (Nebel-Trilogie Teil 1*)
(Kurzgeschichte)
Ein kalter Windhauch streicht durch die zerbrochenen Fenster des alten, verfallenen Gebäudes. Eine Person irrt durch die dunklen Gänge, die von verfallenen Tapeten und bröckelnden Mauern gezeichnet sind. Das Gesicht tief in eine Kapuze gezogen. Die Schritte hallen laut, es ist das einzige Geräusch in dieser erdrückenden Stille.
Aus den Augenwinkeln sieht die Person eine Bewegung, ein Schimmern im Dunkeln. Sie bleibt stehen, lauscht. Nichts. Ein dunkler Nebel kriecht langsam durch die Flure, wie eine lebende Präsenz, die nach der Person greift. Aus den Schatten treten eigenartige Kreaturen hervor, wie missgestaltete Menschen. Ihre Körper sind übertrieben und grotesk, ihre Bewegungen eine unheimliche Mischung aus Verführung und Bedrohung. Sie bewegen sich geschmeidig, ihre Augen leuchten in der Dunkelheit.
Diese Kreaturen halten sich nur in den Schatten auf, ihre Körper scheinen mit der Dunkelheit zu verschmelzen. Jede Bewegung der Person wird verfolgt, jede Ecke birgt die Gefahr einer neuen Begegnung. Der Nebel wird dichter, schränkt die Sicht ein und zwingt die Person immer häufiger, sich in eine bestimmte Richtung zu bewegen. Ein Gefühl der Frustration und Manipulation breitet sich aus.
An den Wänden erscheinen Worte und Bilder, die auf unterdrückte Emotionen, Verrat und Enttäuschung hindeuten. Die Kreaturen scheinen diese Gefühle zu nähren, ihre Augen glitzern vor Vergnügen, wenn die Person ins Stolpern gerät, wenn sie sich in den Labyrinthen aus Staub und Schatten verliert.
Die Person streift weiter durch die verfallenen Gänge des alten Gebäudes. Der dunkle Nebel kriecht weiter und umschließt die Person wie eine unheimliche Umarmung. Als sie eine Tür aufstößt, enthüllt sich ein großer Raum, dessen Wände mit zerfetzten Tapeten bedeckt sind. In der Mitte des Raumes hängen Marionetten von der Decke. Jede an einem eigenen dünnen, fast unsichtbaren Faden.
*
Die Marionetten sind identisch: blasse, hölzerne Gesichter mit großen, traurigen und zugleich wütenden Augen und nach unten gezogenen Mundwinkeln. Ihre Kleidung ist altmodisch und zerschlissen, die Farben längst verblasst. Die Marionetten hängen regungslos, aber ihr Anblick ist beunruhigend lebendig. Es scheint, als ob ihre Augen der Person folgen, egal wohin sie sich bewegt.
Die Person tritt näher und bemerkt, dass die Fäden der Marionetten von der Decke bis zu den Händen reichen, als ob eine unsichtbare Macht sie jederzeit zum Leben erwecken könnte. Ein flüchtiger Gedanke schießt durch den Kopf der Person: Wer oder was zieht hier die Fäden? Das Gefühl der Manipulation und des Kontrollverlust wird immer stärker.
Plötzlich bewegt sich eine der Marionetten leicht, als ob sie von einem unsichtbaren Windhauch getroffen wurde. Die Person weicht erschrocken zurück, spürt das Herz schneller schlagen. Der Anblick dieser gleich aussehenden, unglücklichen Gestalten verstärkt das Gefühl der Verzweiflung. Jede Marionette ist ein Spiegelbild, ein Symbol für die eigene Gefangenschaft in einer Welt, die sie nicht versteht und nicht kontrollieren kann. Die Marionetten sind ein Spiegelbild der Gesellschaft.
Die Person verlässt den Raum der Marionetten. Der dunkle Nebel bleibt allgegenwärtig, bewegt sich durch die Korridore wie ein lebendiges Wesen. Nach einigen weiteren Schritten entdeckt die Person einen weiteren Raum. Die Tür steht nur einen Spalt offen und durch den Nebel schimmert ein schwaches Licht.
Sie öffnet die Tür vollständig und tritt ein. Der Raum ist kleiner, fast klaustrophobisch und überall mit verknoteten Seilen bedeckt. Dicke sowie grobe Seile, deren Knoten so komplex und zahlreich sind, dass es unmöglich scheint, sie jemals zu entwirren. Die Seile hängen von der Decke, schlängeln sich über den Boden und ziehen sich durch den Raum wie ein gigantisches Spinnennetz.
Jeder Knoten ist anders und scheint eine Geschichte von Verwirrung und Hilflosigkeit zu erzählen. Die Person geht langsam durch den Raum, die Seile streifen die Kleidung, als ob sie lebendig wären. Ein Knoten fängt das Licht eines zerbrochenen Fensters ein, welches blass sowie kalt hereinfällt und wirft Schatten an die Wände, die wie dunkle Hände aussehen, die nach der Person greifen.
In der Mitte des Raumes liegt ein besonders großer Knoten, fast wie ein Herz aus Seilen, das schwer auf dem Boden lastet. Die Person kniet sich nieder und versucht, einen der Knoten zu lösen, doch die Seile sind fest und widerspenstig. Je mehr sie daran zieht, desto enger scheinen sie sich zu verflechten. Das Gefühl der Frustration wächst, jede Bewegung wird von den Seilen beantwortet, als ob sie eine eigene Intelligenz besitzen.
Die Person steht auf und tritt einen Schritt zurück. Die verknoteten Seile scheinen die Verzweiflung und das Gefühl des Gefangenseins zu verkörpern. Jeder Knoten ist eine Erinnerung an verlorene Chancen, an Manipulationen und an die Frustration der eigenen Situation, aus der es scheinbar keinen Ausweg gibt. Die Dunkelheit und der Nebel verstärken diese Gefühle, während die Kreaturen weiterhin in den Schatten lauern.
Mit einem letzten Blick auf die verknoteten Seile verlässt die Person den Raum. Die Reise durch das verfallene Gebäude geht weiter, die Herausforderungen und Symbole der Verzweiflung und Manipulation sind allgegenwärtig, aber die Hoffnung auf einen Ausweg bleibt bestehen.
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Dann, ein Geräusch. Schritte. Ein Echo. Jemand oder etwas nähert sich. Die Person blickt sich um, sieht die Kreaturen in den Schatten lauern und spürt den kalten Nebel auf der Haut. Ein Moment der Stille, der sich in die Ewigkeit zu erstrecken scheint.
Die Schritte kommen näher. Die Person hält den Atem an, die Augen weit geöffnet und den Blick in die Dunkelheit gerichtet. Plötzlich erscheint eine weitere Gestalt. Eine Silhouette, kaum zu erkennen, aber dennoch unheilvoll vertraut. Sie trägt ebenfalls eine Kapuze, die das Gesicht verbirgt. Ein Spiegelbild, eine Einbildung oder eine weitere Kreatur?
Die Kreaturen in den Schatten werden unruhig, ihre Augen glitzern vor gieriger Erwartung. Die Person spürt, wie der Boden unter den Füßen zu vibrieren scheint, als ob das Gebäude selbst auf diese Begegnung reagiert. Überall ein unheimliches flüstern. Die Schatten bewegen sich seltsam und unnatürlich.
Die beiden Gestalten stehen sich gegenüber. Die Dunkelheit scheint dichter zu werden, die Kreaturen rücken näher, bleiben jedoch im Schatten verborgen. Die Augen der Silhouette funkeln und für einen Moment glaubt die Person, ein schwaches Lächeln unter der Kapuze zu sehen.
Ein kalter Windhauch durchfährt den Raum. Die Person zögert, dann streckt sie die Hand aus, als ob sie die Silhouette berühren will. Doch bevor ihre Finger diese erreichen, löst sich die Gestalt auf und verschmilzt mit dem Nebel.
Ein leises Flüstern, ein Echo von tausend Stimmen, hallt durch die Flure. Der Nebel löst sich auf, die Kreaturen ziehen sich zurück und verschwinden in den Schatten, als ob sie ihren Zweck erfüllt hätten.
*
Die Person bleibt allein zurück. Plötzlich hört diese ein lautes Geräusch. Es klingt, als ob ein Teil des Gebäudes zusammengefallen wäre.
Die Person weiß jetzt, dass die Reise noch nicht zu Ende ist. Sie zieht die Kapuze tiefer ins Gesicht, dreht sich um und geht weiter durch die verfallenen Gänge. Der Nebel breitet sich abermals aus und nimmt wieder nach und nach jede Ecke des Gebäudes ein.
ENDE
*Die Nebel-Trilogie Teil 2 sowie Teil 3 finden Sie ebenfalls gratis auf dieser Homepage.