Die düstere Prophezeiung: Echo der Leere
(Kurzgeschichte)
David sitzt im Zugabteil und starrt gedankenverloren aus dem Fenster, während die Landschaft vorbeirauscht. Er ist auf dem Weg zu einem wichtigen Termin. Die Fahrt wird mehrere Stunden dauern und David nickt immer wieder kurzzeitig ein.
Während der Zugfahrt bemerkt David eine Frau am anderen Ende des Abteils. Und sie starrt ihn ununterbrochen an. Ihr Blick ist intensiv und irgendwie unheimlich. David versucht, sie zu ignorieren, aber das Gefühl, beobachtet zu werden, lässt ihn nicht mehr zur Ruhe kommen.
Nach einer Weile beschließt David, einen Spaziergang durch den Zug zu machen, um sich etwas abzulenken. Als er durch die Gänge schlendert, bemerkt er, dass sich die wenigen anderen Passagiere merkwürdig verhalten. Ein älterer Mann schüttelt ständig seinen Kopf und murmelt dabei unverständliche Worte vor sich hin, während eine Gruppe von Frauen sich gegenseitig ohrfeigen und dabei herzhaft lachen. Ein Junge steht vor der geschlossenen Tür der Zugtoilette und klopft. Die Tür öffnet sich und niemand befindet sich darin. Doch der Junge geht nicht hinein und wartet, bis sich die Toilettentür wieder schließt. Kurzdrauf wiederholt sich dieser Vorgang.
Als David in sein Abteil zurückkehrt, bemerkt er, dass die starrende Frau verschwunden ist. Er setzt sich wieder hin und versucht abermals, etwas zur Ruhe zu kommen. Doch plötzlich hört er ein leises Klopfen. David blickt zur Abteilungstür, doch als diese sich öffnet, ist dort niemand. Kurzdrauf schließt sich die Tür wieder.
Die Zeit vergeht und David kommt nicht mehr zur Ruhe. Sein Verstand ist voll von seltsamen Gedanken und Fragen. Was ist los mit diesem Zug? Warum benehmen sich die Leute so merkwürdig?
Schließlich nähert sich der Zug seinem Zielbahnhof und David ist erleichtert, dass die Fahrt bald vorbei ist. Doch als der Zug einfährt, sieht er, dass der Bahnhof verlassen ist. Keine Menschen, keine anderen Züge, nur Einsamkeit und Stille.
*
David steigt aus und blickt sich um. Plötzlich bemerkt er eine Gestalt, die auf ihn zukommt. Es ist er selbst – oder zumindest jemand, der genauso aussieht wie er.
Der andere David ist im Gesicht eingefallen und hat grüne Augen, dessen grüne Farbe abzublättern scheint. David spürt eine unerklärliche Angst, als ihre Blicke sich kreuzen.
"Oh, entschuldigen Sie", sagt der andere David und weicht aus, um an ihn vorbeizugehen.
"Ähm, kein Problem", antwortet David unsicher.
Als der andere David bereits ein paar Schritte vorbeigegangen ist, ruft David ihm nach: "Warten Sie! Haben Sie auch einen Termin zum Gespräch über ihre Zukunft?"
Der andere David bleibt stehen und dreht sich langsam um. Seine grünen toten Augen scheinen angewidert. "Ja, tatsächlich. Ich habe auch dieses Gespräch."
Ein seltsames Gefühl breitet sich in David aus als er weiter fragt: "Sind Sie darauf gut vorbereitet? Ich denke, dass ich gut vorbereitet bin."
Die grünen Augen des anderen Davids durchbohren ihn mit unheimlicher Intensität. Ein düsteres Lächeln legt sich um seine Lippen, als er beginnt zu sprechen: "Du denkst, du kannst vor deinem Schicksal davonlaufen, aber du irrst dich. Ich bin nur ein Abbild dessen, was du in dir trägst – die Dunkelheit, die Einsamkeit, die Leere. Du kannst mich ignorieren, aber du kannst nicht vor dir selbst fliehen."
Seine Worte treffen David wie ein Messerstich. Er fühlt, wie die Worte des anderen Davids durch ihn hindurchdringen und einen tiefen, schmerzhaften Nerv treffen. Dieser redet weiter:
"Du magst denken, dass du stark bist, dass du deine Dämonen besiegt hast, aber die Wahrheit ist, dass du nur eine Maske trägst – eine Maske, die du dir selbst erschaffen hast, um die Leere in dir zu verbergen."
David spürt eine unerklärliche Beklemmung in seiner Brust. Die Worte des anderen Davids treffen ihn wie ein Schlag, denn sie sprechen eine Wahrheit aus, die er lange Zeit zu ignorieren versucht.
"Du kannst versuchen, dich von mir zu lösen", fährt der andere David fort, sein Blick unerbittlich. "Aber solange du nicht bereit bist, dich deinen Ängsten zu stellen und du nicht bereit bist, die Leere in dir anzuerkennen, werde ich immer bei dir sein. Deine Dunkelheit wird dich einholen und du wirst nicht entkommen können."
Mit diesen mahnenden Worten dreht sich der andere David um und geht davon. David bleibt allein zurück, sein Herz schwer vor Angst und Unsicherheit.
Als der andere David nicht mehr zu sehen ist, fühlt David, wie sich eine bedrückende Atmosphäre um ihn herum ausbreitet. Was war das für ein seltsames Treffen? Und was hat es zu bedeuten?
Auf einmal hört David ein leises Lachen hinter sich. Er dreht sich um und sieht die starrende Frau aus dem Zugabteil vor ihm stehen. Ihr Gesicht ist verzerrt von einem unheimlichen sowie unnatürlichen Lächeln.
"Willkommen", flüstert sie. "Du hast es geschafft."
ENDE